Schwarzweiß Micky - warum nur Füttern nicht ausreicht

Mickys Geschichte fiel mir am schwersten aufzuschreiben und ich habe es lange aufgeschoben, denn sie hat kein Happy End.
Sie ist vor allem durch die Nachrecherche bestürzend und ein sehr trauriges Beispiel dafür, daß „Füttern allein“ keine ausreichende Dauerhilfe ist, es braucht mehr! Wer das selbst nicht leisten kann, bittet um Hilfe, holt euch sachkundige Hilfe hinzu, frühzeitig.
Zwischen den ersten zwei Fotos (unten) liegen sechs Monate und das Verlöschen eines Katerlebens. So traurig Mickys Geschichte ist, so wichtig ist es mir sie zu erzählen und zu verbreiten, für die Chance anderen Katzen solch einen Verlauf zu ersparen. Das ist mein Anliegen in ewiger Erinnerung für Micky.


Er tauchte während meiner Wildtierkamera“überwachung“ ab 2015 für Leo´s Futterzeiten immer mal wieder auf, meist nachts und von mir unbemerkt. Die Kamera lief die nächsten Jahre weiter und so sah ich den schwarzweißen Kater immer mal wieder auf den Fotos. Natürlich waren auch alle Nachbarkatzen des Umfeldes regelmäßig auf den Fotos, doch der Schwarzweiße war „unbekannt“ und ich ahnte, auch er sei möglicherweise ein Streuner, doch wohlgenährt und somit wurde er irgendwie bzw. von irgendwem versorgt. Mehrere Jahre blieb er für mich „Schwarzweiß“, im Nachhinein habe ich ihn Micky genannt, damit er nicht länger „irgendwer“ war.
In 2015 und Anfang 2016 stand ein Napf für Leo vor der Haustür, allerdings mit nur wenigen Futterkrümeln, damit mir die Katzenklingel Besuch meldete, nur wenn es Leo war, gab es die volle Portion und die Klingel war dann für den Rest der Nacht aus. Micky zeigte sich mir leider nie, nur der Kamera und so bemerkte ich seine Situation auch nicht, erst rückblickend hat sich das Puzzle zusammengesetzt.
Im Juni 2019 öffnete ich spätvormittags die Haustür und sah Micky in schrecklichem Zustand vor der Treppe unter dem Vordach der Katzenhütte liegen. Meine Katzen blieben drin und ich brachte Micky erstmal einen Napf mit Feuchtfutter, um zu schauen wie er sich bewegt, verhält, ob er frißt. Er hielt Abstand zu mir, tappte aber sofort zum Napf, fraß ein wenig und sank dann neben dem Napf zusammen, legte den Kopf ab, versuchte es nach kurzer Zeit wieder. Abgemagert, struppiges Fell, verklebte Augen und Nase, mit seinen Kräften am Ende. Er mußte sofort zu einem Tierarzt oder zum Tierheim zur Fundtieraufnahme, um dort umgehend tierärztlich versorgt zu werden.
Micky zog sich in die Katzenhütte zurück und darin sah ich meine Chance, ihn mit Hilfe einer lieben und katzenliebenden Nachbarin zu fangen. Der Plan war, eine von uns wird die Katzenbox genau vor die Öffnung der Hütte zu halten und die andere wird das Hüttendach aufklappen und mit einer Decke von oben Micky in die Box bewegen. Wir haben den total geschwächten Kater leider unterschätzt, was mir nie wieder passieren wird, denn der Fehler war fatal.
Weil die Box wegen der aufgeklappten Boxentür nicht plan an die Hütte paßte, blieb eine schmale Lücke, da sprang Micky unvermittelt mit voller Wucht gegen, verschaffte sich damit genug Raum und schlüpfte durch, rannte in den Garten. Adrenalin muß seine letzten Kräfte mobilisiert haben. Wir fanden ihn nicht, bei mir auf dem Grundstück und auf den Nachbargrundstücken gab es leider zu viele Versteckmöglichkeiten, es blieb uns nur keinen Druck zu erzeugen und hoffen, daß er zurückkehrt oder sich anderswo zeigt. All die Jahre hatte er ja eine Anlaufstelle gehabt.
Zwei Tage spürte ich ihn noch, dann war er „weg“. Ich hoffte er hätte Hilfe gefunden, wahrscheinlich ist er zu dem Zeitpunkt aber verstorben. Er wurde nicht aufgefunden, das erfuhr ich später.
Meine Fotos von Micky vom Fundtag waren leider durch Eile und Abstand unscharf, doch sie reichten um seinen Zustand zu belegen und um ihn mit den Fotos der Wildtierkamera (siehe unten) zu vergleichen, Micky war ganz sicher der schwarzweiße Kater, den ich seit 2015 auf den Fotos bemerkt hatte. Meine letzten Wildtierkamerafotos von ihm waren vom Anfang Januar und obwohl unscharf, wirkt er gut genährt und fit. Im Laufe der nächsten sechs Monate muß er erkrankt sein und durch unterlassene Behandlung über längere Zeit dann dem Tode nah gekommen sein. Wie kann jemand den Kater regelmäßig mit Futter versorgt und gleichzeitig nichts getan haben, um ihm tierärztliche Hilfe zukommen zu lassen?

Wir haben im Nachhinein erfahren, daß eine Straße weiter ein schwarzweißer Streunerkater regelmäßig im Garten gesichtet und gefüttert wurde, doch er wäre dann halt alt gewesen und hätte sich ja nicht anfassen lassen, deshalb tat man weiterhin nichts als füttern. Am Tag seines Auftauchens bei mir im Juni, war bei seinen Fütterern wegen Möbeltransporten so viel Aktivität unvertrauter Menschen gewesen, daß der Kater von seinem „Zuhause“ geflohen war. Er ist dorthin nie mehr zurückgekehrt.
Micky war nicht einfach alt, zumindest hatte er bis Januar keinerlei typische optische Altersanzeichen aufgewiesen. Ob er an Katzenschnupfen oder Zahnbeschwerden bis Kiefervereiterung oder Tumor oder einer Kombination erkrankte, in jedem Fall hätte ihm geholfen werden können, rechtzeitig. Und selbst wenn es ein inoperabler Tumor oder ein andere tödliche Erkrankung gewesen wäre, hätte Micky nicht so schmerzbelastet und elend verenden müssen.
Seine Fütterer hätten sich Hilfe holen müssen. Wenn sie in den mindestens vier Jahren nicht ausreichend Vertrauen zu ihm aufbauen konnten, wäre eine Meldung z.B. beim Tierheim Berlin für Micky rettend gewesen. Seine Fütterer hätten ihn vielleicht verloren, doch er hätte eine Zukunft gewonnen. Eine Chance gut versorgt alt werden zu dürfen, ob im Tierheim vielleicht mit Freigehege oder sogar vermittelt, oder zurück in seinem Revier, er hätte nicht so verenden müssen.

Mich hat Mickys Geschichte zutiefst erschüttert, daß so etwas in der heutigen Zeit im Stadtgebiet unter Menschen meines Alters noch möglich ist, habe ich bis heute nicht fassen können.
Auch in mir hat Micky einiges verändert, niemals die Kräfte einer in die Enge getriebenen Katze, egal wie schlecht beinander, zu unterschätzen. Möglicherweise konnte zu diesem Zeitpunkt sein Leben nicht mehr gerettet werden, die Fahrt ins Tierheim wäre viel Streß gewesen, doch wenn er nicht in der „Freiheit“ gestorben wäre, sondern bei einem Tierarzt, wäre das Leid nicht so lang gewesen und wer weiß ob es nicht doch Rettung hätte geben können?
Drei Streunern habe ich ein Heim geben können, Micky war die Nummmer Vier da draussen und es fühlt sich so ungerecht an. Warum durfte er nicht das gleiche Glück haben und Vollversorgung finden? Warum mußte er gefüttert werden, wo ihm wirkliche Hilfe versagt blieb? Wäre es sonst zu mir gekommen? Oder hätte er woanders Futter und Hilfe gefunden? Micky war offensichtlich nie weit weg und doch blieb er mir mit seinem Leidensweg verborgen bis es zu spät war.
Die Vorwürfe, die ich mir selbst mache und das Hadern mit der ganzen Geschichte bleiben mir auf immer, sie haben aber auch bewirkt, daß ich noch genauer hin sehe, handle sobald mir etwas schief zu laufen scheint und ich keinen Halter ermitteln kann. Die neue Katzenschutzverordnung in Berlin ist ein Segen, auch dafür.
Micky werde ich niemals vergessen und so möchte ich mit seinem Schicksal wenigstens aufrütteln und informieren, damit andere Katzen in seiner Situation umfassende Hilfe bekommen. Denn Füttern allein reicht nicht!

Füttern kann ein Start sein für Katzen die Tagesrationen umgehend auffuttern - sonst sind es oft eher Freigänger, die Zufutter erbeuten und eben nicht gefüttert werden sollten (siehe Thema Freigänger oder Streuner). Füttern kann Vertrauen und Nähe schaffen, um zu prüfen, ob ein Chip ausgelesen werden kann, um Fotos für Fundmeldungen zu machen (in Berlin z.B. sind Fundtiere bei der Tiersammelstelle im Tierheim zu melden), um einen Besuch beim Tierarzt zu ermöglichen usw.
Doch wer es beim reinen Füttern beläßt, hilft der Katze eben nicht und verhindert, daß die Katze sich woanders Hilfe sucht. Auch ein Streuner braucht mehr als Futter, jede Katze braucht jemanden, der sich verantwortlich fühlt, eine wetterfeste Unterkunft oder noch besser einen Platz im Leben ihrer Menschen und in ihrem Haus, drinnen und sie braucht medizinische Versorgung wenn diese nötig wird, ebenso wie eine Kastration.
Für die jeweilige Situation passende Vorgehensweisen lassen sich in den Weiten des Internets finden, wer sich unsicher ist, selbst betroffen ist durch den Fund einer Katze oder solche Fälle mitbekommt, bitte wendet euch an den Tierschutz, ehrenamtlich oder in Form eines Tierheims, es gibt viele Adressen und wenn nicht der erste oder zweite Anlauf gelingt, dann der dritte oder vierte, es braucht womöglich ein wenig Durchhaltevermögen, bitte, jedes Katzenleben ist es wert
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Füttern allein ist keine Dauerhilfe für die Katze, auch wenn sich die Menschen am Katzenbesuch erfreuen, es dient damit dem Menschen und nicht langfristig der Katze – das klingt hart, unfreundlich und doch ist es bittere Wahrheit.
Futterstellen vom Katzenschutz sind hiermit selbstverständlich nicht gemeint, denn dort wird meist auch kastriert und der gesundheitliche Zustand der Katzen im Auge behalten.

Micky 2019 im Januar (Wildtierkamera)

Fotos vom 20. Juni 2019



 

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